“Teals”: wohin geht die Reise?

Mit einem Fokus auf Eigenverantwortung, Autonomie und Purpose drängen sogenannte “Teals” immer stärker in unsere Arbeitswelten. Wir haben unsere Erfahrungen mit Teals und deren Auswirkungen auf Organisationen und Bürolandschaften untersucht und in diesem Beitrag zusammengefasst.

Der Begriff Teals ist – im Gegensatz zu Millennials – keine Bezeichnung für eine Altersgeneration, sondern für eine Personengruppe, die sich durch bestimmte Wertehaltungen und Präferenzen auszeichnet (siehe auch die von Don Beck und Chris Cowan weiter entwickelte Spiral Dynamics Theorie). Teals sind in hohem Maße dadurch geprägt, am Arbeitsplatz als ganzheitliche Personen wahrgenommen werden zu wollen (“keine Maske tragen zu müssen”) und bevorzugen Unternehmen, in denen sie mit ihrer Arbeit einen sinnvollen Beitrag für die Zukunft leisten können. Teals suchen sich Unternehmen als Arbeitgeber aus, bei denen sie sich entfalten und weiter entwickeln können und wo sie als Person ernst genommen werden – mit ihren Stärken und Schwächen.

Daraus leitet sich auch ein besonderer Anspruch an ihren Arbeitsplatz ab: Die Gestaltung der richtigen Arbeitsumgebung für Teal-Mitarbeiter hat viel mit Authentizität und Individualität zu tun. Zentral geht es um die Frage, wie ich mir meine Arbeitsumgebung so gestalte, dass ich so sein kann, wie ich bin – wobei ich bereit bin, durchaus auch etwas von mir preiszugeben. Was bedeutet, dass beispielsweiser der persönlichen Dekoration meines Arbeitsplatzes große Bedeutung zukommt. Persönliche Dekoration, das können große Grünpflanzen, Star Wars Figuren, kleine Gnome oder eine Kakteensammlung sein. Mit einer Clean-Desk-Policy wird man bei dieser Zielgruppe also auf wenig Gegenliebe stoßen.

Darüber hinaus sind die Meetingräume der Teals organischer gestaltet, die auch “positiv irritieren” sollen (im Gegensatz zu “well-being spaces”), und weniger als fancy Themenräume konzipiert, wie zum Beispiel Beachfeeling oder Skihütte. Den Teals geht es nicht um Inszenierung, sondern um charakteristische Räume, die aus dem Zweck der Sache entstehen. Ein Beispiel dafür ist die Schaffung von “Silent Spaces”, in denen man sich zurückziehen und regenerieren kann. Das sind dann oft unaufgeregte, aber behutsam gestaltete Räume, die sehr gut funktionieren, da sie authentisch sind und die Mitarbeitern nicht das Gefühl haben, dass man sich in der “Social Area” mit den Kollegen treffen “muss”.

Dieses neue Selbstverständnis wirkt sich auch auf Organisationen aus. Noch sind Personen mit ausgeprägten Teal-Charakteristika in der Minderheit, jedoch wird dieser Gruppe vorausgesagt, stark zu wachsen. Schlagworte hier sind Eigenverantwortung und Gestaltungsspielraum: also innerhalb eines (mit-)bestimmten größeren organisationalen Rahmens (der sich auch über die Zeit verändern kann und soll) autonomes Arbeiten zu ermöglichen. Dies kann durch unterschiedlichste Strukturen, Systeme und Prozesse gelingen, es muss nicht ein “Holocracy-Modell” oder Ähnliches implementiert werden. Hier liegt auch die Gefahr, “Teal Organisationen” als eine Sammlung von Methoden und neuen Praktiken zu interpretieren und diese ohne Adaptation bzw. Berücksichtigung des speziellen Kontexts einer Organisation anzuwenden. Dazu gibt es auch einen interessanten Beitrag auf Corporate Rebels.

Neben diesen strukturellen Vorlieben der Teals ist für sie der “Purpose” essentiell – also ein tieferer inhaltlicher Sinn. Das bedeutet, dass ihnen nicht Aufgaben oder Tätigkeiten “reingedrückt” oder vorgegeben werden, sondern sich der Zweck bzw. die Sinnhaftigkeit aus der Aufgabe heraus entwickelt.

Dieses neue Selbstverständnis bricht auch mit der strikten Rollenaufteilung, die in vielen Organisationen immer noch dominiert (und sich unter anderem durch Funktionsbezeichnungen auf Visitenkarten ausdrückt). Teals wollen sich nicht mehr auf eine Position festlegen: je nach Bedarf und Aufgabenstellung sind sie mal Projektinitiator, Teamleiter oder Mitarbeiter in selbstorganisierenden Gruppen. Das verändert auch ganze Organisationsformen. Administrative bzw. klassische Headquarter Funktionen können stark reduziert werden. Beispielsweise rekrutiert ein Team neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gemeinsam und benötigt so für diese Tätigkeit keine HR-Abteilung mehr. Diese Art von Entscheidungen treffen Teals aber nicht nach Konsens in der Gruppe, sondern nach klar definierten Qualitätskriterien. Auch das zeichnet sie aus.

Teals haben das Potential, nicht nur Organisationsstrukturen, Rollenverständnisse, Job-Positionen und die Art und Weise der Zusammenarbeit (Autonomie, Entscheidungen treffen, etc.) zu verändern, sondern auch die räumliche Arbeitsumgebung. Wie sich in diesem Zusammenhang der “Arbeitsplatz der Zukunft” entwickeln wird, bleibt spannend zu beobachten. Ein Hinweis: die Clean-Desk-Policy wird nicht “gewinnen” 😉

Image: Jens Johnsson at Unsplash