Ulrich Kerber ist eine innovative, handlungsorientierte Führungskraft mit über 20 Jahren Erfahrung in der Bau- und Immobilienbranche. Er beschäftigt sich leidenschaftlich mit Arbeitsmodellen der Zukunft und ihren Auswirkungen auf Arbeitsplätze und Unternehmensführung. Kerber hat ein neues Rahmenwerk für Unternehmensführung im komplexen Betriebsumfeld mitentworfen: Digital-Emotional Leadership. Er hält Vorlesungen über Arbeitsplatzorganisation und betriebliches Immobilienmanagement an der ZHAW in Zürich und an der Hochschule Luzern.

Thomas Fundneider: Was verbinden Sie mit dem Begriff Freude?

Ulrich Kerber: Ich denke bei Freude sofort an Spiel mit Ziel; an Spaß; an Leidenschaft. Ich denke bei Freude an das Kind in uns.

TF: Wann empfinden Sie Freude?

UK: Zum Beispiel, wenn ich für eine sinnvolle, bedeutungsvolle Tätigkeit belohnt werde. Dann stellt sich eine Befriedigung ein, die wie eine Energiespritze wirkt und beflügelt. Man gibt alles, ohne groß nachzudenken, weil man Freude an der Sache hat.

TF: Ist diese Freude dann kurzlebig oder hält sie länger an?

UK: Leider ist sie meist von kurzer Dauer, aber man muss Strategien entwickeln, mit denen man die Freude einfangen, bewahren und in schlechten Zeiten davon zehren kann.

TF: Erleben Sie Momente der Freude eher im Privatleben oder bei der Arbeit? Wie ist hier das Verhältnis?

UK: Nachdem ich mehr Zeit bei der Arbeit verbringe als im Privatleben, vermutlich eher bei der Arbeit. Aber selbst wenn es mehr freudige Momente bei der Arbeit sind, ist die Freude in privaten Situationen eine größere – zum Beispiel wenn ich Freunde treffe oder Zeit mit meiner Tochter verbringe. 

TF: Der Begriff des Glücks wird oft synonym für Freude gebraucht. Bedeuten beide dasselbe für Sie oder gibt es einen Unterschied?

UK: Freude ist für mich ein Zustand, der sich im Moment einstellt. Glück ist eine Einstellung; Glück ist allgemeiner. Glücklich ist man, wenn man sein Leben im Griff hat, zufrieden ist, mit einer positiven Einstellung in die Zukunft geht.

TF: Was ist für Sie das Gegenteil von Freude?

UK: Gute Frage. Ich denke, wenn man in seinem Handeln keine Bedeutung sieht und frustriert ist.

TF: Kommen wir noch einmal auf die Beziehung zwischen Freude und Arbeit zurück: Laut einer neuen McKinsey-Studie wollen 40 % der Arbeitnehmer ihren Job in den nächsten drei bis sechs Monaten kündigen. Das sind sehr viel mehr als in den Jahren davor. Warum empfinden so viele Menschen keine Freude an ihrer Arbeit?

UK: Laut Statistiken haben rund zwei Drittel der Menschen weltweit keine emotionale Bindung zu dem Unternehmen, für das sie arbeiten. Ihre Arbeit ist ihnen gleichgültig. Bei 15 % der Befragten besteht sehr wohl eine emotionale Bindung; weitere 15 % haben eine unternehmensfeindliche Haltung oder handeln sogar gegen die Interessen ihres Arbeitgebers.

Wir bezahlen die Menschen dafür, dass sie sich mit Herz und Verstand im Unternehmen einbringen. Schließlich fällt der größte Kostenanteil für das Personal an. Man kann sich aber nur voll einbringen, wenn man emotional hinter einer Sache steht, das versteht sich von selbst.

Wenn wir den Menschen also ein Umfeld bieten wollen, das ihnen die Möglichkeit bietet, mitzuentscheiden, teilzuhaben und zu wachsen, braucht es ein Minimum an emotionaler Bindung. Sonst muss man ständig die Leute motivieren, weil sie sich nicht von sich aus einbringen.

TF: Wie hat sich die Pandemie auf diese Problematik ausgewirkt?

UK: Für viele Menschen hat die Pandemie gravierende Folgen. Es herrscht großer Frust, manche durchleben eine Existenzkrise. All diese Erfahrungen und die Isolation haben zweifellos tiefgreifende psychologische Folgen, insbesondere für Kinder und junge Leute. Bei der Pandemiebewältigung hat man kaum auf psychologische Aspekte geachtet. Ich bin überzeugt, dass die Folgen noch Jahre, wenn nicht Jahrzehnte spürbar sein werden – spätestens dann, wenn die Jungen ins Berufsleben einsteigen.

TF: Vor der Pandemie waren viele Führungskräfte der Meinung, dass Heimarbeit in diesem Ausmaß unmöglich sei, dass wir als Gesellschaft noch nicht so weit seien und es auch nie sein würden. Nun sind wir also so weit und viele scheinen ganz gut damit klarzukommen. Die Menschen sind nach wie vor produktiv.

Unternehmen stellen ihre Arbeitsmodelle um und manche fürchten, dass sie eben erst erworbene Entscheidungsfreiheiten einbüßen könnten. Die Zukunftsprognosen der Manager wirken nach der Fehleinschätzung in Sachen Heimarbeit wenig überzeugend. Beobachten Sie diese Entwicklungen auch in Ihrem Unternehmen?

UK: Ich setze mich seit vielen Jahren mit neuen Arbeitsmodellen auseinander und bin fest davon überzeugt, dass wir keine weitreichenden Grundsatzentscheidungen fällen sollten, solange wir uns im Krisenmodus befinden. Wir sollten uns vielmehr auf die nächsten paar Wochen und Monate konzentrieren, statt langfristig zu planen. Die Krise ist noch nicht überwunden.

Wir sollten das Ganze in Ruhe verdauen und die Fakten dann kritisch bewerten. Mir ist nicht wohl bei dem Gedanken, langfristige Entscheidungen auf Grundlage aktueller Daten zu fällen. Holen wir Profis ins Boot, sammeln fundierte Daten, betrachten sie aus verschiedenen Blickwinkeln und treffen dann weise, nachhaltige Entscheidungen! Die können dann natürlich nach und nach neu bewertet werden.

Diesen Prozess kann man bei führenden Unternehmen beobachten. Tim Cook hat seine Mitarbeiter vor kurzem aufgefordert, wieder ins Büro zu kommen. Zwölf Monate davor hatte er noch gemeint, dass Büros womöglich Geschichte seien. In Krisenzeiten werden solche Grundsatzentscheidungen laufend revidiert, man sollte also besser damit warten, bis sich die Lage beruhigt hat.


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