Zwischen künstlicher Intelligenz und menschlicher Existenz: “we are here to create”

Über die letzten Jahre und Jahrzehnte entwickelte die Menschheit eine Vielzahl an praktischen Werkzeugen und Hilfsmittel für unterschiedliche Problemstellungen. Eine Frage konnten wir allerdings trotz unseres Erfinder- und Entdeckergeistes bisher noch nicht beantworten: die Frage, warum wir überhaupt hier sind. In einem Gespräch mit Edge publiziert Kai-Fu Lee, Spezialist im Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI), seine Gedanken zu diesem Thema und widmet sich der Beziehung zwischen künstlicher Intelligenz und menschlicher Existenz: “Why are we here?”

Um sich dieser Frage anzunähern, gilt es, herauszufinden wie das menschliche Gehirn tatsächlich funktioniert. Erst dann kommt die Frage, wie und ob Computer das menschliche Gehirn überhaupt ersetzen können?

“The believe at one point was that we would take the human intelligence and implement it as rules that would have a way to act as people if we provided the steps in which we go through our thoughts.”
 

Die “if, then, else”-Regel: inspiriert vom Gehirn, übertragen auf Computer

Eine erste Annäherung basiert auf dem Glauben, dass menschliche Intelligenz auf ein Regelwerk von Entscheidungen heruntergebracht und diese Regel- und Handlungsmuster auf Computer übertragen werden können. Wenn wir dem Computer alle Schritte und Abfolgen unserer Entscheidungsfindung, unseres Handeln aufbereiten und bereitstellen, so der Gedanke, hätte die Maschine die Möglichkeit, dieses Regelwerk zu übernehmen und selbst anzuwenden.

Nachdem Kai-Fu Lee und ein großer Teil der KI-Gemeinschaft diese Annahme erforscht hatten, kamen sie zu der Erkenntnis, dass es einfach zu viele Regeln gibt, die das menschliche Verhalten bestimmen, als dass sie alle berücksichtigen könnten. Der klassische, regelbasierte Ansatz (“GOFAI” – Good Old Fashioned Artificial Intelligence) war zu simpel und zu mechanistisch. Unsere Welt ist komplex und zu einem hohen Grad unsicher – und nicht ausschließlich mit Symbolen und Regeln erklärbar.
 

Die Entdeckung des “Speaker independent speech recognition system”

Ein weiterer Versuch, künstliche Intelligenz an das menschliche Gehirn anzupassen, beinhaltet die Nutzung von statistischen oder maschinellen Lernansätzen. Die Idee dahinter ist einfach: zuerst benötigt man eine große Sammlung von realen Ereignissen und Erfahrungen, die in einem Datensatz angelegt sind. Danach wird das System auf genau diese Sammlung trainiert. Ergebnisse dieses Prozesses sind erste Beispiele für “speaker independent speech recognition systems”, also sprecherunabhängige Spracherkennungssysteme, die immer noch in vielen Produkten zur Anwendung kommen. Bekannteste Spracherkennungssysteme sind Sprachassistenten wie Apple SiriGoogle Home oder Amazon Alexa/Echo.

Auch wenn die Produkte dieser Idee bis heute Anwendung finden – die Idee an sich, auf diesem Weg eine Maschine zu erfinden, die das menschliche Gehirn ersetzen kann, ist auch hier gescheitert. Wir benutzen in unserem täglichen Leben einfach zu viele Wörter, Neologismen und erfundene Begriffe etc. – und nur Menschen sind in der Lage, dieses unendliche Vokabular und dessen konkrete Bedeutungen zu verstehen.
 

“Deep Learning” – das Lernen der Maschinen

In einem neuerlichen Anlauf wandte sich die KI-Gemeinschaft einer künstlichen Version der neuronalen Netze zu. Diese Idee kann als statistischer und netzbasierter maschineller Lernprozess verstanden werden. Maschinen sollen – wie das menschliche Gehirn – durch Vernetzungen von Erfahrungen und Wissen etc. die Fähigkeit entwickeln, selbst zu lernen und sich weiterzuentwickeln. Allerdings ist auch hier die Ausführung nicht so einfach wie es klingt: “Humans can See maybe hundreds of faces and Start to recognize people, but these deep-learning neural networks would love to see billions of faces in order to become proficient. [..] Of course, once they’re proficient, they’re better than people.”

Es gibt mittlerweile eine Vielzahl von Technologien, die auf dieser Idee basieren und zum Training für Sprach-, Bild- und Gesichtserkennung sowie zu Suchverhalten und  Prognosen eingesetzt werden. Einer der vielen Durchbrüche war die Entwicklung neuer Algorithmen, der sogenannten Faltungsneuronalen Netze, welche heute als “Deep Learning” bekannt sind. Das Konzept des „Deep Learnings“ beschreibt den Prozess des eigenständigen Lernens einer Maschine. Das bekannteste Beispiel dafür ist AlphaGo. Kai-Fu Lee fasst diese Entwicklung folgendermaßen zusammen: “The neutral nets and statistical approaches were right, we just didn’t have enough data, enough computer power, and enough advancements of the technologies at the time to make it happen. But now we do.”
 

Wer sind wir? Und warum sind wir hier?

Trotz all dieser faszinierenden und großteils erfolgreichen technologischen Innovationen und des Fortschritts der Künstlichen Intelligenz haben wir immer noch keine befriedigende Antwort auf die Frage nach der menschlichen Existenz. Wir von theLivingCore sind davon überzeugt, dass uns auch künstliche Intelligenz oder “Deep Learning” diese Antwort nicht geben kann. Was uns jedoch interessiert, sind die Erfahrungen und Lernerfolge, die wir durch die Beschäftigung mit künstlicher Intelligenz erhalten. Durch die Beschäftigung mit KI und den damit verbundenen Themen erzielen wir wertvolle Einblicke und erfahren viel über die menschliche Existenz. So verbessert sich unser Verständnis und unser Tun bei der Entwicklung und dem Umgang mit solchen intelligenten Maschinen.

Es verrät uns auch viel darüber, wie wir mit anderen Menschen umgehen. Die Interaktion mit unserer Umgebung und die produktive Gestaltung unseres sozialen und technologischen Umfelds stehen seit jeher im Mittelpunkt unseres Handelns. Mann kann die Menschheitsgeschichte durchaus als Lernpfad für diese Art von Interaktionen sehen. Dieser Weg zeigt uns auf, dass wir lernen müssen, mit Maschinen umzugehen, die uns in bestimmten Aspekten unserer Intelligenz überlegen sein werden (oder es bereits sind).

Eine Sache, die wir aber sicher wissen, ist die Tatsache, dass KI immer noch eine rein physikalische Maschinen ist, die auf Berechnungen basiert. Und KI ist immer noch ein Werkzeug, das Menschen im Dienste einer mehr oder weniger spezifizierten Aufgabe entwickelt haben. Künstliche Intelligenz kann vieles, aber sie kann nicht lieben, sie kann sich nicht in andere einfühlen, sie hat keine Qualia (= eine subjektive, bewusste Erfahrung). Sie hat keine “echten Emotionen” und auch kein Selbstbewusstsein. Vorläufig teilen wir daher die Annahme von Kai-Fu Lee: “Perhaps it is the ability to create and the ability to love that are the reasons why we exist.

Lesen Sie das ganze Intervier mit Kai-Fu Lee hier: Edge: We are here to create

Image: Quino Al at Unsplash

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